Zum Inhalt springen
Aktuelle Meldung |

Behandlungsfehler-Begutachtung durch den Medizinischen Dienst Hessen im Jahr 2022

Jahresstatistik des Medizinischen Dienstes Bund (MD-Bund), veröffentlicht am 17.08.2023 in Berlin

Der Medizinische Dienst Hessen hat im Jahr 2022 – im Auftrag der Krankenkassen – insgesamt 1.017 Erstgutachten zu der Frage erstellt, ob ein Behandlungsfehler im Bereich der ärztlichen, zahnärztlichen oder pflegerischen Versorgung vorliegt. Damit sinkt die Zahl der Begutachtungen gegenüber den Vorjahren weiterhin leicht (2021: 1.049; 2020: 1.033).

Bei 251 dieser Gutachten (das sind 24,7 %) wurde dabei von einem kausalen Behandlungsfehler ausgegangen, mit einer positiven Verknüpfung zwischen Fehler und Schaden (2021: 24,5%, 2020: 26,8%, 2019: 26,6 %, 2018: 23,2 %, 2017: 29,1 %, 2016: 30,2 %).

„Das bedeutet, dass in diesen Fällen ein Behandlungsfehler festgestellt wurde und gleichzeitig dieser Fehler die Ursache des gesundheitlichen Schadens war“, erläutert Dr. med. Ralf Glake, Leiter des Teams Ersatzansprüche beim Medizinischen Dienst Hessen. „Inwieweit in anschließenden Verfahren mit den Haftpflichtversicherungen eine Einigung erzielt wird – oder auf dem Rechtsweg Fehler bestätigt werden – ist uns nicht bekannt. Allerdings unterstützte der Medizinische Dienst Hessen auch in dieser Phase die Krankenkassen und Versicherten im Jahr 2022 durch rund 356 Zweitgutachten, beispielsweise in Form einer Stellungnahme zu Gerichtsgutachten.“

Bei den hier genannten Angaben ist zu berücksichtigen, dass sich diese ausschließlich auf die an den Medizinischen Dienst Hessen gerichteten Aufträge hinsichtlich vorgeworfener Behandlungsfehler beziehen. Nicht bekannt sind sowohl die Anzahl aller Behandlungsfehlervorwürfe als auch die Gesamtmenge aller in Hessen durchgeführten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen sowie pflegerischen Maßnahmen.

Ferner ist davon ausgehen, dass zahlreiche Behandlungsfehler erst gar nicht erfasst werden, da sie als solche nicht erkannt und somit auch nicht angezeigt werden. Andererseits gibt es Behandlungsfehler, die so eindeutig sind, dass sie auch ohne weitere Gutachten direkt von den Haftpflichtversicherungen reguliert werden. Auch diese Zahlen sind nicht bekannt.

Insgesamt sind somit die Zahlen des Medizinischen Dienstes nicht repräsentativ (weder im Land noch im Bund) und erlauben daher auch keine aussagekräftigen Rückschlüsse hinsichtlich der Sicherheit in Krankenhäusern und Arztpraxen.

Beim Vergleich der hessischen Ergebnisse für 2022 mit denen der Bundesebene zeigen sich keine relevanten Unterschiede, so dass die grundsätzlichen Aussagen zu den Zahlen, die der MD Bund am 17.08.2023 in Berlin veröffentlicht, auch auf Hessen übertragen werden können.

 

Häufigste Behandlungsfehler in den Bereichen Endoprothetik, Wirbelsäulenoperationen und Zahnbehandlung

Bei den genannten Erstgutachten in Hessen betrafen 351 Vorwürfe den ambulanten Sektor, 666 den stationären. Es fand sich kein relevanter Unterschied in der Fehlerquote, abhängig von der Versorgungsform.

Die Mehrzahl der Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst Hessen betraf (wie in den Vorjahren) das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie (2022: 368 der insgesamt 1.017 begutachteten Fälle = 36,2 %), gefolgt von anderen chirurgischen Fachgebieten (137 Fälle = 13,5 %), Frauenheilkunde und Geburtshilfe (109 Fälle = 10,7 %), Zahnmedizin und Oralchirurgie (82 Fälle = 8,1 %) sowie Pflege (73 Fälle = 7,2 %).

Wie in den Jahren zuvor, wurden im Jahr 2022 die meisten Behandlungsfehler im Bereich der Endoprothetik festgestellt (OPS 5-82, Implantation/Wechsel einer Hüft-oder Knie-Endoprothese, zusammen 40 Fehler), gefolgt von Fehlern bei der Frakturversorgung (OPS 5-79, 18 Fehler) und Wirbelsäulenoperationen (OPS 5-83, Bandscheiben-OP und versteifende WS-Operation - Spondylodese, zusammen 8 Fehler).

Im Bereich der zahnärztlichen Versorgung wurden insgesamt 26 Fehler gesehen (prothetische Zahnversorgung 6x, Füllungstherapie und Wurzelkanalbehandlung 12 x, Entfernung Zähne 8x).

In 5 Fällen sah der Medizinische Dienst Hessen einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und dem Tod der Patientin bzw. des Patienten (2021: 6, 2020: 5, 2019: 12, 2018: 10, 2017: 13, 2016: 14).

Die Zahl der so genannten Never Events war in Hessen mit 7 Fällen (2021: 11) erfreulich niedrig. „Never Events“ bezeichnen Fehler, die vorwiegend durch organisatorische Maßnahmen sicher zu vermeiden wären, wie zum Beispiel Seitenverwechslungen bei Operationen oder intraoperativ vergessene Tupfer bzw. OP-Instrumente. Bei den Never Events ist zu berücksichtigen, dass diese oft so eindeutig sind, dass eine direkte Regulierung durch die Haftpflichtversicherungen erfolgt, ohne Einschaltung des Medizinischen Dienstes.

„Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich im Jahr 2022 somit keine richtungsweisenden Veränderungen bei den Ergebnissen ergeben“, fasst Dr. med. Glake zusammen.

 

Was können Versicherte bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler unternehmen?

Der Medizinische Dienst Hessen rät Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse, sich bei einem Behandlungsfehlerverdacht an die nächstgelegene Geschäftsstelle oder eine Hotline ihrer Krankenkasse zu wenden. Auf der Grundlage des § 66 SGB V unterstützen alle Krankenkassen ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die aus Behandlungsfehlern entstanden sind. Dies geschieht in aller Regel durch Erstellung eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst.

„Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst erfolgt im Auftrag der Krankenkassen der Versicherten, ist interessenneutral und für sie nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden. Damit sind unsere Begutachtungen bei Behandlungsfehlervorwürfen ein Instrument im Rahmen einer fairen Regulierung. Zwar kann in der Mehrzahl der Fälle der bestehende Verdacht nicht bestätigt werden, aber auch dieses Begutachtungsergebnis und die entsprechenden Erläuterungen sind für den betroffenen Patienten wichtig. Denn dann erhalten sie die Gewissheit, dass eine schicksalhafte Komplikation oder ein ungünstiger Heilungsverlauf einen Schaden verursacht haben, nicht aber ein Fehler in der Behandlung“, so Dr. med. Ralf Glake.

 

Was ist ein Behandlungsfehler?

Patientinnen und Patienten haben Anspruch auf eine Behandlung nach dem anerkannten medizinischen Standard. Die Behandlung und Aufklärung müssen sorgfältig, richtig und zeitgerecht erfolgen. Ist dies nicht der Fall, liegt ein Aufklärungs- oder ein Behandlungsfehler vor. Vermutet ein Patient einen Behandlungsfehler, kann er sich an seine gesetzliche Krankenkasse wenden, die durch das Patientenrechtegesetz (§ 66 SGB V) verpflichtet ist, ihn zu unterstützen. Die Krankenkasse beauftragt in der Regel den Medizinischen Dienst mit der Begutachtung. Dort stellt eine Fachärztin oder ein Facharzt mit Hilfe der Patientenakte und einem Gedächtnisprotokoll des Patienten fest, ob ein Fehler vorliegt und ob dieser einen Schaden verursacht hat. Denn nur dann hat der Patient auch Aussicht auf Schadensersatz.

 

Über den Medizinischen Dienst Hessen

Der Medizinische Dienst Hessen ist die sozialmedizinische Sachverständigeninstitution für die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung in Hessen. Als solche ist er Teil der Solidargemeinschaft und den sozialgesetzlichen Prinzipien verpflichtet: Solidarität, Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit.

Sein Aufgabenspektrum ist breit gefächert und umfasst insbesondere

  • Begutachtungen von Versicherten,
  • Qualitätsprüfungen in Versorgungseinrichtungen,
  • Beratungen zu Grundsatz- und Versorgungsfragen,
  • Fortbildungen für Sozialleistungsträger.

Aufgrund der Vielfalt an Fragestellungen im Gesundheitswesen beschäftigt der Medizinische Dienst Hessen Expertinnen und Experten ganz verschiedener Gesundheitsberufe: Fachärztinnen und Fachärzte mit den einschlägigen Gebietsbezeichnungen, Pflegefachkräfte mit unterschiedlichen Zusatzqualifikationen, Psychologinnen und Psychologen, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Orthopädiemechaniker arbeiten dabei eng zusammen. Mit ihren sachverständigen Leistungen tragen sie dazu bei, dass die rund 5,5 Millionen gesetzlich kranken- und pflegeversicherten Menschen in Hessen eine bedarfsgerechte, dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung erhalten und bei Pflegebedürftigkeit die von ihnen benötigte solidarische Unterstützung erfahren.

 

Kontakt:

Alexandra Markus                                                                         Dr. med. Ralf Glake
Leiterin Unternehmenskommunikation                                          Teamleiter – Team Ersatzansprüche
Tel. 06171/634-237                                                                         Tel. 0561/78487-36
E-Mail: a.markus(at)md-hessen.de                                                   E-Mail: r.glake(at)md-hessen.de

Zurück