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Begutachtung des Medizinischen Dienstes bei vermuteten Behandlungsfehlern

Heutige Veröffentlichung in Berlin: Jahresstatistiken 2021 für den Bund und für Hessen

Der Medizinische Dienst Hessen hat im Jahr 2021 – im Auftrag der Krankenkassen – insgesamt 1.049 Erstgutachten zu der Frage erstellt, ob einB ehandlungsfehler im Bereich der ärztlichen, zahnärztlichen oder pflegerischen Versorgung vorliegt. Bei 257 von diesen Gutachten (das sind 24,5 %) wurde dabei von einem kausalen Behandlungsfehler ausgegangen, mit einer positiven Verknüpfung zwischen Fehler und Schaden (2020: 26,8%, 2019: 26,6 %, 2018: 23,2 %, 2017: 29,1 %, 2016: 30,2 %).

„Das bedeutet, dass in diesen Fällen ein Behandlungsfehler festgestellt wurde und gleichzeitig dieser Fehler die Ursache des gesundheitlichen Schadens war“, erläutert Dr. med. Ralf Glake, Leiter des Teams Ersatzansprüche beim Medizinischen Dienst Hessen anlässlich der heutigen Veröffentlichung des Berichts zur Behandlungsfehlerbegutachtung der Medizinischen Dienste durch den MD Bund in Berlin. „Inwieweit in anschließenden Verfahren mit den Haftpflichtversicherungen eine Einigung erzielt wird – oder auf dem Rechtsweg Fehler bestätigt werden – ist uns nicht bekannt. Allerdings unterstützte der Medizinische Dienst Hessen auch in dieser Phase die Krankenkassen und Versicherten im Jahr 2021 durch rund 424 Zweitgutachten, beispielsweise in Form einer Stellungnahme zu Gerichtsgutachten.“

Bei den hier genannten Angaben ist zu berücksichtigen, dass sich diese ausschließlich auf die an den Medizinischen Dienst Hessen gerichteten Aufträge hinsichtlich vorgeworfener Behandlungsfehler beziehen. Nicht bekannt sind sowohl die Anzahl aller Behandlungsfehlervorwürfe als auch die Gesamtmenge aller in Hessen durchgeführten ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen sowie pflegerischen Maßnahmen.

Ferner ist davon ausgehen, dass zahlreiche Behandlungsfehler erst gar nicht erfasst werden, da sie als solche nicht erkannt und somit auch nicht angezeigt werden. Andererseits gibt es Behandlungsfehler, die so eindeutig sind, dass sie auch ohne weitere Gutachten direkt von den Haftpflichtversicherungen reguliert werden. Auch diese Zahlen sind nicht bekannt.

Insgesamt sind somit die Zahlen des Medizinischen Dienstes nicht repräsentativ (weder im Land noch im Bund) und erlauben daher auch keine aussagekräftigen Rückschlüsse hinsichtlich der Sicherheit in Krankenhäusern und Arztpraxen.

Beim Vergleich der hessischen Ergebnisse für 2021 mit denen der Bundesebene zeigen sich keine relevanten Unterschiede, so dass die grundsätzlichen Aussagen zu den Zahlen, die der MD Bund am 30.06.2022 in Berlin veröffentlicht, auch auf Hessen übertragen werden können.

 

Häufigste Behandlungsfehler in den Bereichen Endoprothetik, Wirbelsäulenoperationen und Zahnbehandlung

Bei den genannten Erstgutachten in Hessen betrafen 353 Vorwürfe den ambulanten Sektor, 696 den stationären. Es fand sich kein relevanter Unterschied in der Fehlerquote, abhängig von der Versorgungsform.

Die Mehrzahl der Begutachtungen durch den Medizinischen Dienst Hessen betraf (wie in den Vorjahren) das Fachgebiet Orthopädie und Unfallchirurgie (2021: 343 der insgesamt 1.049 begutachteten Fälle = 32,7 %), gefolgt von anderen chirurgischen Fachgebieten (149 Fälle = 14,2 %), Zahnmedizin und Oralchirurgie (113 Fälle = 10,8 %), Frauenheilkunde und Geburtshilfe (106 Fälle = 10,1 %) sowie Pflege (74 Fälle = 7,1 %).

Wie in den Jahren zuvor, wurden im Jahr 2021 die meisten Behandlungsfehler im Bereich der Endoprothetik festgestellt (OPS 5-82, Implantation/Wechsel einer Hüft-oder Knie-Endoprothese, zusammen 37 Fehler), gefolgt von Fehlern bei Wirbelsäulenoperationen (OPS 5-83, Bandscheiben-OP und versteifende WS-Operation - Spondylodese, zusammen 16 Fehler).

Im Bereich der zahnärztlichen Versorgung wurden insgesamt 26 Fehler gesehen (prothetische Zahnversorgung 6x, Füllungstherapie und Wurzelkanalbehandlung 14 x, Entfernung Zähne 6x).

In insgesamt sechs Fällen sah der Medizinische Dienst Hessen einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Behandlungsfehler und dem Tod der Patientin bzw. des Patienten (2020: 5, 2019: 12, 2018: 10, 2017: 13, 2016: 14).

Die Zahl der so genannten „Never Events“ war in Hessen mit elf Fällen erfreulich niedrig. „Never Events“ bezeichnen Fehler, die vorwiegend durch organisatorische Maßnahmen sicher zu vermeiden wären, wie zum Beispiel Seitenverwechslungen bei Operationen oder intraoperativ vergessene Tupfer bzw. OP-Instrumente. Bei den Never Events ist zu berücksichtigen, dass diese oft so eindeutig sind, dass eine direkte Regulierung durch die Haftpflichtversicherungen erfolgt, ohne Einschaltung des Medizinischen Dienstes. „Im Vergleich zu den Vorjahren haben sich im Jahr 2021 somit keine richtungsweisenden Veränderungen bei den Ergebnissen ergeben“, fasst Dr. Glake zusammen.

 

Was können Versicherte bei Verdacht auf einen Behandlungsfehler unternehmen?

Der Medizinische Dienst Hessen rät Versicherten einer gesetzlichen Krankenkasse, sich bei einem Behandlungsfehlerverdacht an die nächstgelegene Geschäftsstelle oder eine Hotline ihrer Krankenkasse zu wenden. Auf der Grundlage des § 66 SGB V unterstützen alle Krankenkassen ihre Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die aus Behandlungsfehlern entstanden sind. Dies geschieht in aller Regel durch Erstellung eines Gutachtens durch den Medizinischen Dienst. Dr. Glake: „Die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst erfolgt im Auftrag der Krankenkassen der Versicherten, ist interessenneutral und für sie nicht mit zusätzlichen Kosten verbunden. Damit sind unsere Begutachtungen bei Behandlungsfehlervorwürfen ein Instrument im Rahmen einer fairen Regulierung. Zwar kann in der Mehrzahl der Fälle der bestehende Verdacht nicht bestätigt werden, aber auch dieses Begutachtungsergebnis und die entsprechenden Erläuterungen sind für den betroffenen Patienten wichtig. Denn dann erhalten sie die Gewissheit, dass eine schicksalhafte Komplikation oder ein ungünstiger Heilungsverlauf einen Schaden verursacht haben, nicht aber ein Fehler in der Behandlung.“

 

Was ist ein Behandlungsfehler?

Zu dieser Frage beachten Sie bitte den Info-Flyer der MD-Gemeinschaft.
 


Der Medizinische Dienst Hessen ist die sozialmedizinische Sachverständigeninstitution für die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung. Im Auftrag der Kranken- und Pflegekassen sowie deren Verbände ist der Medizinische Dienst für die Begutachtungen von Versicherten, Qualitätsprüfungen in Versorgungseinrichtungen, Beratungen zu Grundsatz- und Versorgungsfragen sowie Fortbildungen für Sozialleistungsträger zuständig. Der Medizinische Dienst Hessen beschäftigt zum Ende des Jahres 2021 insgesamt 829 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – darunter 216 ärztliche und 265 pflegefachliche Gutachter/-innen – an neun regionalen Standorten.

www.md-hessen.de

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